Am 26 September 2021 haben die Deutschen einen neuen Bundestag gewählt. Die daraus resultierende sogenannte Ampel-Koalition besteht aus der SPD, Bündnis 90 Die Grünen und der FDP. Nach 16 Jahren Merkel und der konservativen CDU/CSU-Regierung scheint das Land bereit für einen Wechsel. Die kommende Regierung verspricht nichts weniger als eine Modernisierung des Landes. Über Jahre wurden in Deutschland wichtige Modernisierungen verschleppt, so bildet Deutschland bei der Digitalisierung im Vergleich oft das Schlusslicht, der Verwaltungsapparat kommt langsam und schleppend daher. In Ihrem Koalitionsvertrag – welcher ein „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ definiert – stimmen die drei Parteien dem Ziel der Modernisierung des Landes überein.
Ein wichtiger Teil dieses Modernisierungsprozesses beinhaltet eine Reform der Drogenpolitik, insbesondere das Ende der Verbotspolitik, welche in den Augen der Ampel als gescheitert gilt. Im Zuge der Modernisierung soll deshalb auch Cannabis legalisiert werden. Auch wenn die beteiligten Parteien versprechen fortschrittlicher und liberaler zu sein, gibt es dennoch einige Unsicherheiten zur praktischen Umsetzung einer Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch.
Hintergrund
Es bleibt kein einfaches Unterfangen bei drei Parteien, mit sehr unterschiedlichen politischen Ansichten, zusammenzufinden, um einen Kompromiss zu schließen. Ein gemeinsames Ziel bleibt jedoch, nämlich den Jugendschutz zu stärken durch einen kontrollierten Cannabismarkt. In vergangenen Jahren rückte vor allem der Schwarzmarkt in den Fokus, da dort Minderjährige unbehelligt Zugriff auf Cannabis haben und der Konsum kontinuierlich ansteigt in derselben Gruppe. Während vor allem konservative Politiker in Cannabis eine Einstiegsdroge zu anderen, gefährlicheren Drogen sehen, sehen liberalere Politiker eine Chance in einem legalen Markt. Dieser könnte eine bessere Qualität der Produkte sowei Alterskontrollen sicherstellen.
Es ist davon auszugehen, dass die neue Bundesregierung sich andere Märkte als Beispiel nehmen wird – um Fehler zu vermeiden, aber auch positiven Beispielen zu folgen. Auf der einen Seite dient die Schweiz als Positivbeispiel wo einige größere Städte eine legale Abgabe von Cannabis im Zuge einer Studie testen. Solch ein Versuchsmodell könnte eine Option für verschiedene deutsche Städte wie z.B. Berlin, Frankfurt (Main), Köln oder München sein. Dieses Modell wird vor allem von der SPD favorisiert. Auf der anderen Seite steht das niederländische Modell eher als abschreckendes Beispiel, da vor allem Medienberichte zu einer negativen Rezeption einer liberalen Drogenpolitik führten, wo besonders konservative Stimmen ein dunkles Bild heraufbeschwören.
Also was wissen wir bisher?
Wann können wir mit einem legalen Cannabismarkt rechnen?
Eine Legalisierung wird dauern, alleine das Gesetzgebungsverfahren verzögert den Prozess um mehrere Wochen oder sogar Monate. Zudem ist eine Legalisierung keine gesundheitspolitsche Priorität der neuen Regierung. Deutschland hat weiterhin mit hohen Fallzahlen an Covid-19 Patienten zu kämpfen, die Omikron-Variante wird auch weiterhin Corona zum wichtigsten Thema machen bis mindestens in den späten Frühjahr 2022.
Wie groß ist der Markt?
Für das Jahr 2021 wird der Schwarzmarkt auf einen Wert von über 4 Milliarden Euro geschätzt. Dabei beläuft sich die Zahl der Konsumenten auf mehr als 5 Millionen. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, wobei vor allem jüngere Konsumentengruppen einen erhöhten Konsum aufweisen. Angenommen, Cannabis sei völlig legal und frei zugänglich für alle Erwachsenen (Stand Ende 2021), selbst bei einem geringen Konsumanstieg auf etwa 10% der Erwachsenenbevölkerung auf ca. 7 Millionen Personen, dann läge der legale Marktwert bei etwa 5,5 Milliarden Euro.
Wer wird Cannabis vertreiben? Und wo?
Es steht weiterhin zur Diskiussion wo Cannabis letztendlich vertrieben wird, da der Koatlitionsvertrag relativ vage „lizenzierte Geschäfte“ erwähnt. Einerseits könnte Cannabis für den Freizeitgebrauch in Apotheken vertrieben werden entweder in separaten Räumen oder durch ein unabhängiges Netzwerk an Abgabestellen. Andererseits, wobei es nicht im Interesse der Politik liegt neue Konsumenten zu generieren, besteht die Möglichkeit von privat betriebenen Verkaufsstellen. Diese sollten sichtbar genug lokalisiert sein, um mit dem Schwarzmarkt konkurrieren zu können.
Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Distrubition zumindest anfangs zentralisert verläuft, um hohe Qualitätsstandards zu sichern und Logistikketten zu erproben.
Wie teuer wird Cannabis verkauft?
Die Preise auf dem Schwarzmarkt variieren je nach Region. Jedoch liegt der durchschnittliche Preis pro Gramm bei etwas über 10 Euro. Für Medizinalcannabis wurde 2017 eigens die Cannabisagentur (Teil des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM) gegründet, welche Lizenzen ausgibt und Cannabis für 4,30 Euro an Apotheken verkauft. Die inländischen Kapazitäten sind gesetzlich festgelegt auf 2,6 Tonnen pro Jahr. Dies deckt nicht mal den Bedarf des Medizinalmarktes. Apotheken können außerdem einen Preiszuschlag von 100% erheben auf den Apothekeneinkaufspreis, trotzdem könnte der Abgabepreis mit dem Schwarzmarkt konkurrieren.
Wird Deutschland zum Cannabisproduzenten oder -Importeur?
Beides. Einerseits hängt Deutschland massiv von Importen ab, um die Nachfrage zu bedienen. Andererseits haben die inländischen Produktionsstätten gezeigt, dass eine heimische Produktion auch rentabel sein kann. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass Deutschland zu einer Hauptproduktionsstätte wird. Es wäre wohl lohnender die Position im pharamzeutischen Bereich zu stärken, indem Deutschland sich als „Wissens-Exporteur“ positionieren könnte.
Würde Cannabis ähnlichen Regeln wie Tabak hinsichtlich Verkauf und Marketing unterworfen werden?
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Cannabis zum Freizeitgebrauch ein hoch regulierter Markt werden. Das vorgeschlagene „Cannabiskontrollgesetz“ würde alles von Produktion über Logistik hin zu Konsum und Marketing regeln. Auch wenn die deutschen Tabakgesetze relativ liberal waren unter der konservativen Regierung, so ist auch hier eine Änderung zu erwarten, da die Regierung Ihre Verbraucherschutzgesetze mit denen der EU zu harmonisieren plant. Jedoch hat Cannabis schon viel Aufmerksamkeit in den Medien auf sich gezogen und wird wohl anfangs vor allem streng reguliert werden. Der Druck alles richtig zu machen ist besonders bei den Grünen hoch, da diese bereits seit Jahren eine Freigabe fordern und letztendlich umsetzen.
Was ist mit Eigenanbau?
Privat angebautes Cannabis könnte zuerst legal werden, vor allem um den Prozess der Legalisierung zu beschleunigen. Zumindest könnte es als erster Schritt (bis zu einer gewissen Menge) entkriminalisiert werden.
Wenn es legal ist, bleibt das so?
Nach vier Jahren soll es eine Evaluierung geben hinsichtlich geselltschaftlicher Auswirkungen, wobei der Einfluss auf das Konsumverhalten oder auch auf die Strafverfolgungsbehörden berücksichtigt werden.
Wenn alle drei Parteien einer Legalisierung zustimmen, warum dauert das so lange?
Eine Legalisierung wird passieren, es ist lediglich ein Frage der Zeit. Selbst Konservative sehen zunehmend das Potenzial und die Vorteile einer Verdrängung des Schwarzmarktes sowie der Einnahmen zusätzlicher Steuern. Aber es gibt weiterhin viel zu tun. Nicht nur viele Interessengruppen spielen mit, sondern auch viele Aspekte sind zu berücksichtigen so etwa die Beschaffung, Logistik, Distribution, Verwaltung, Besteuerung, etc.
Weitere einblicke finden sie in den berichten, Cannabis in Germany und World Market for Cannabis